Artikel zum Messerangriff in Schwerte Ruhr Nachrichten 02.02.2025, von Leandra Stampoulis
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Guido Böse ist lizenzierter Gewaltpräventionstrainer, Trainer und Vorsitzender der Budogemeinschaft Schwerte.
Kann ich mich vor einem Messerangriff überhaupt schützen? Guido Böse ist Verteidigungs-Experte. Er kennt die Gefahren und hat nützliche Tipps
Der Messerangriff eines 15-Jahrigen auf einen 18-fahrigen am Donnerstag (23.1.) in der Schwerter Innenstadt lasst einige Schwerterinnen und Schwerter mit einem mulmigen Bauchgefiihl zurück. Messerangriffe kommen immer haufiger vor, zum Beispiel auch in der Nachbarstadt Dortmund, und damit schwindet das Sicherheitsgefühl. Wie kann ich mich am besten schützen, wenn mein Angreifer ein Messer zückt?
Guido Bose ist lizenzierter Gewaltpraventionstrainer, Trainer und Vorsitzender der Budogemeinschaft Schwerte 61 e.V.. Er ist Experte, was Selbstverteidigung angeht. Er kennt die Antworten auf die wichtigsten Fragen und gibt Tipps, wie man sich bei einem Messerangriff verhalten sollte.
Wie gefährlich schatzen Sie das Messer als Waffe ein?
Grundsätzlich darf man die Wirkungsweise eines Messers nicht unterschätzen. Ein Messer schneidet in fast alle Richtungen und kann großen Schaden anrichten. Im Vergleich zu einer Schusswaffe, die zunächst einmal „nur“ in eine Richtung schießt.
Handelt es sich bei einem Angriff um ein „Taschenmesser“ mit einer Klingenlänge von weniger als vier Zentimetern, besteht die größte Gefahr bei Schlitzverletzungen an empfindlichen Körperstellen wie Hals, Gesicht und Hauptschlagadern. Handelt es sich um ein Messer mit einer festen Klinge und einer Klingenlänge von bis zu zwölf Zentimetern (legal), kommt die Gefahr der Stichverletzungen und tiefer Schnittwunden hinzu.
Ich persönlich hätte mehr Respekt vor einem Messerangriff als vor einer Bedrohung mit einer Schusswaffe. Das liegt daran, dass die Messerangreifer in der Regel kein Problem damit haben, jemanden „anzustechen“. Eine Person, die einen mit einer Schusswaffe bedroht, will in der Regel nur sein Vorhaben durchziehen. Sollte diese Person töten wollen, so ist die Schusswaffe natürlich ebenso gefährlich.
Gibt es Techniken /Empfehlungen von Ihnen, wie man sich im Falle eines Messerangriffs verhalten sollte?
Wenn es sich um einen Raubüberfall handelt, sollte man sein Geld abgeben und froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Hilfreich wäre hier, einen „klaren Kopf“ zu bewahren, soweit das möglich sein sollte. Merken, wie die Person aussieht, was sie getragen hat, wie sie gesprochen hat. So ist die Chance größer, dass sie von der Polizei gefasst wird. Sein Geld bekommt man dadurch allerdings nicht wieder. Für Personen, die sich in Vierteln aufhalten, die dafür bekannt sind, dass es zu Übergriffen kommt oder grundsätzlich in Angst leben, überfallen zu werden, kann es hilfreich sein, ein „Fakeportemonaie“ zu tragen. In diesem befindet sich dann nur wenig Geld, welches man dann freiwillig abgibt. Schmuck und Handy sind dann aber trotzdem weg.
Sollte man sich in einer Sackgasse befinden und der Gegenüber die Absicht haben, einen zu verletzen, hat man keine andere Wahl, als sich so teuer wie möglich zu verkaufen und zu versuchen sich zu verteidigen. Zur Vermeidung von schnellen Schnittverletzungen sollte man seine Hände bei sich halten und nicht zur Verteidigung nach vorne strecken. Da davon auszugehen ist, dass der Angreifer zu 99,9 Prozent die obere Körperregion angreift und nicht ins Bein stechen möchte, könnte eine erste Abwehr- oder Ausweichbewegung und ein gezielter Tritt in die untere Körperregion, etwa gegen das Knie, helfen.
Auf keinen Fall sollte eine ungeübte Person versuchen, eine Messerhand zu fangen! Seine Arme, die den Angriff im ersten Zug abwehren müssen, kann man gegebenenfalls durch eine Jacke schützen. Ebenso können Gegenstände als „Schutzschild“ vor Verletzungen schützen.
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In Deutschland 1st generell verboten, Messer mit einhandig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlange uber 12 Zentimeter zu fuhren. (Symbolbild)
Welche Rolle spielt das Training in Selbstverteidigungssituationen, und wie realistisch ist es, sich effektiv gegen einen Angreifer mit Messer zu verteidigen?
Der Erfolg einer Verteidigung ist stark abhängig von dem Willen und der Zielsetzung des Angreifers, aber auch des Verteidigers. Auch als Verteidiger muss man erst einmal, wenn man die Chance hat, in der Lage sein, einem Menschen das Knie durchzutreten oder ins Auge zu stechen. Daran scheitert schon die erste Möglichkeit eines möglichen Erfolges. Hinzu kommt die Schockphase.
Training kann helfen. Allerdings kann man „realistische Messerabwehr“ nur schwerlich trainieren, weil der Verteidiger mit seinem Partner nicht das machen darf, was man in der Realität gegen einen Angreifer anwenden dürfte, so sieht es immer so aus, als wäre der Angreifer im Vorteil. Kommerzielle Schulen werben mit diesem Problem für sich, indem sie eine Situation aus der Kampfkunst darstellen, um sich darüber „lustig“ zu machen, weil die Realität ganz anders aussieht und ein Messerstecher in fünf Sekunden zehnmal zustechen würde. Damit haben sie vollkommen recht, wenn es um die Tötungsabsicht geht (siehe Angriff in Mannheim am 31.5.2024). Wenn es allerdings um „Imponiergehabe“ geht, sieht die Sache etwas anders aus. Oft helfen hier schon die richtigen Worte, um einen Streit zu lösen.
Worauf sollte man bei einem Selbstverteidigungskurs achten?
Da viele Schulen in diesem Bereich kommerziell arbeiten, kann ich mir gut vorstellen, dass einige Anbieter den Kunden suggerieren, dass sie sich nach einem Zehn-Wochen-Kurs gegen ein Messer verteidigen können. Das halte ich für einen Trugschluss und unverantwortlich. Seriöse Anbieter lehren, dass es für einen Laien fast unmöglich ist, sich gegen einen gezielten Messerangriff erfolgreich zu verteidigen.
Bevor man sich blind einer Schule oder einem Verein anschließt, sollte man sich über die Lehrinhalte informieren, sich beraten lassen und an mehreren Probetrainings teilnehmen. Für mich sind schon Anbieter suspekt, die einem Neuling Verteidigung gegen eine Waffe lehren, obwohl die Anfänger noch nicht einmal sich selbst unter Kontrolle haben. Menschen, die sich real bedroht fühlen, rate ich zu Privatunterricht bei Spezialisten, die in diesem Bereich ausgebildet sind.
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